Entkarbonisierung mit Kalkwasser

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Entkarbonisierung(Enthärtung) mit gesättigtem Kalkwasser Ca(OH)2 bzw. Kalziumoxid CaO


Das Thema (Brau)Wasser ist insgesamt ein sehr umfangreiches und es ist beinahe unmöglich in diesem Kapitel alle verwendeten Fachbegriffe zu erklären. Es bietet sich also

an im Vorfeld und an anderer Stelle grundlegende Inhalte zu recherchieren bzw. nachzulesen. U.a. auf Wikipedia findet man das meiste erklärt und als Einstiegsseite

ist der Artikel Wasserhärte unbedingt zu empfehlen.  


Rohwässer mit hoher Restalkalität sollten, wenn gewöhnliche Aufhärtungsmaßnahmen nicht mehr ausreichen um die aciditätsvernichtende Wirkung der Hydrogenkarbonat-Ionen HCO3-   zu kompensieren, enthärtet werden. Für Wässer mit hohen Karbonathärten bietet sich ein relativ einfaches Verfahren an, mit dem sich ein Großteil der Karbonathärte mit überschaubarem Aufwand entfernen lässt.

Die Formulierungen relativ einfach und überschaubarer Aufwand sind nicht ohne Grund gewählt, da flankierend doch einige Dinge zu beachten sind und der Aufwand sich in weiten Teilen nach der eigenen Vorgehensweise und den eigenen Ansprüchen richtet.




Prinzip

Bei dem hier vorgestellten Verfahren spricht man von Kalkentkarbonisierung entlang dessen dem (Roh)Wasser Kalziumhydroxid Ca(OH) , meist in Form von gesättigtem Kalkwasser bzw. Kalkmilch oder als Kalziumoxid CaO in Reinform, zu dosiert wird. Das in Form von Kalkwasser zu dosierte Kalziumhydroxid reagiert dabei mit dem Kalzium- und Magnesiumanteil der Karbonathärte zu wasserunlöslichem Kalziumkarbonat CaCO3 und in einer zweiten Stufe zu wasserunlöslichem  Mg(OH)2 . Die Sedimente können am Ende des Vorgangs abgeschlemmt oder der klare Überstand abgezogen werden. Die genauen Vorgänge sind im Abschnitt "Die Chemie die dahinter steckt" beschrieben.


Im klassischen Sinn sind drei Verfahrensschritte notwendig

  1. Zubereitung von gesättigtem Kalkwasser bzw. der Kalkmilch Ca(OH)2  aus Kalziumoxid CaO
  2. Enthärtung
  3. abtrennen der unlöslich gewordenen Bestandteile bzw. Abzug des klaren Überstandes


Damit sich der Enthärtungseffekt im gewünschtem Umfang einstellt, muss vom Rohwasser die Karbonathärte(bzw. die Säurekpazität KS 4,3 mmol/L) und die Magnesiumhärte bekannt sein, die Ziel-Karbonathärte muss festgelegt werden und es muss die Konzentration von Kalziumoxid CaO (g/L)im bereiteten Kalkwasser Ca(OH)2 bekannt sein. Erschwerend kommt hinzu, dass man die Menge an Kalkwasser kennen sollte die nötig ist, um die freie Kohlensäure CO2 im Rohwasser zu kompensieren(g/L).

Ausgestattet mit diesen Eckdaten lässt sich die Menge an Kalkwasser bzw. Kalkmilch berechnen die zubereitet werden muss (1.)


Es ist ein recht glücklicher Umstand, dass die MEBAK auf ihren Seiten ein paar Musteranalysen veröffentlicht hat und gerade die zur Ermittlung der Kalkwassermenge ist mit dabei:

MEBAK - 1.2.2 Enthärtungsversuch mit Kalkwasser. Dort lässt sich auch nachlesen welche Messungen flankierend nötig sind und auf was im Detail zu achten ist.




Vereinfachung der Rohwasseraufbereitung mit CaO

Die Vereinfachung besteht darin, dass man sich die Bereitung des Kalkwassers spart, dass man in Kauf nimmt dass eher zu wenig CaO dosiert wird, ggf. der verbleibende Rest an Restalkalität aufbereitet werden muss und dass die Menge an CaO die nötig wäre um die freie Kohlensäure CO2 im Rohwasser zu kompensieren(g/L) keinerlei Beachtung findet.


Für eine praktische Arbeitsweise ergibt sich, dass man die für die gesamt Rohwassermenge berechnete Menge  an CaO-Pulver in einem ersten Schritt mit 2/3 des Rohwassers versetzt, verrührt, und z.B. über Nacht stehen lässt. Am nächsten Tag zieht man den klaren Überstand an Brauwasser ab oder schlemmt die Sedimente großzügig ab. In einem letzten Schritt wird das nicht behandelte Drittel (1/3) des Rohwassers mit den 2/3 des jetzt enthärteten Brauwassers versetzt und damit der Kalküberschuss abgestumpft. Diese Vorgehensweise wird auch Split- oder Split-Treatment Verfahren genannt(zweistufige Enthärtung).  Näheres ist am Ende von Abschnitt "Die Chemie die dahinter steckt" zu erfahren.


Anmerkung:

Ich kann mir gut vorstellen, dass es an dieser Stelle so manch' einem Technologen die Haare aufstellt. Die Gefahr einer Überkalkung ist groß und ohne Titationsmöglichkeit der Protagonisten verkommt die hier vorgeschlagene Enthärtungsmaßnahme nicht nur im Ergebnis zum Blindflug. Ich sehe in diesem Kontext auch nur den versierten und geübten Hobby- oder Hausbrauer der seiner übermäßigen Karbonathärte längst überdrüssig geworden ist und diese, koste es was wolle, endlich los werden möchte.  


Zur Berechnung der benötigen Menge an CaO-Pulver benötigen Sie:


Die Formel  zur Berechnung der benötigen Menge an CaO-Pulver in Gramm für die gesamte Rohwassermenge in Liter

CaO [g] = ( ( ( B + D - E ) / A ) + C )  x A x F / 100


Ein Beispiel sagt mehr als tausend Worte - es sei gegeben:

Wert A = 1,3 g/L

Wert B = 12 °dH

Wert C = 0 L/hl

Wert D = 3 °dH

Wert E = 4 °dH

Wert F = 80 Liter


( ( ( 12 °dH + 3 °dH - 4 °dH) / 1,3 g/L ) + 0 L/hl ) x 1,3 g/L x 80 Liter / 100 =  8,8 g CaO


Das Tool Rohwasserenthärtung(Entkarbonisierung) mit CaO (Calziumoxid) implementiert eine etwas andere Logik die vorzugsweise mit Stoffmengenbilanzen hantiert. Die Eingaben dort sind einfach gehalten und es ist das Mittel der Wahl, um CaO-Bedarfe zur Rohwasserenthärtung zu ermitteln.



Zweistufige Enthärtung bzw. Splitverfahren

In der Praxis würden Sie jetzt rund 53 Liter(2/3) Ihres Rohwasser mit den 8,8 g CaO versetzen, gut verrühren und über Nacht stehen lassen. Am nächsten Tag ziehen Sie den klaren Überstand

ab oder schlemmen die Sedimente ab und geben in die so gewonnene Brauwassermenge die restlichen rund 27 Liter Rohwasser wieder hinzu.

Wie schon weiter oben erwähnt, werden sie den Zielwert E (im Beispiel 4 °dH Karbonathärte) nicht erreichen, da Wert C unberücksichtigt bleibt und auch der Zustand des zugesetzten CaO

unbekannt ist(der Wasseranteil des CaO bleibt bei der Einwaage unberücksichtigt bzw. wird mitgewogen).

Beachten Sie:

Durch die gewollte Überkalkung(Kalküberschuss an CaO) im 2/3 Anteil des Rohwassers kann es nach der Enthärtung und nach Zuführung der 27 Liter Rohwasser zu weiteren Ausfällungen kommen.

Das liegt daran, dass der Kalküberschuss noch ausreichen kann, um aus dem 1/3 Rohwasseranteil der noch nicht enthärtet wurde weiteres Kalziumkarbonat CaCO3 zu fällen. Je nach Härte und nach Härtezusammensetzung kann es nötig werden(je nach dem wie trüb das Wasser wird) ein weiteres mal eine Sedimentation der wasserunlöslich gewordenen Bestandteile abzuwarten und ein weiteres mal abzuschlemmen oder den klaren Überstand abzuziehen.


Einstufige Enthärtung

Im Gegensatz zur zweistufigen Enthärtung oben(Split-Verfahren), wird bei der einstufigen Enthärtung einmalig die gesamte Rohwassermenge mit der berechneten CaO Menge versetzt. Für das Beispiel oben gilt dem nach,

dass die 80 Liter Rohwasser mit den 8,8 g CaO versetzt werden. Es folgt wie bei der zweistufigen Enthärtung das gute verrühren und die Reaktions- und Sedimentationsphase z.B. über Nacht mit dem anschließenden abschlemmen der Sedimente .


Wann kann die Enthärtungsmethode mit CaO bzw. Kalkmilch( Ca(OH)2 ) zum Einsatz kommen und wann wende ich ein einstufiges- und wann ein zweistufiges(Split) Verfahren an ?

Da nur Karbonathärte KH ( Mg(HCO3)2 + Ca(HCO3)2 ) zur Ausfällung gelangt und den Ausfällungsmöglichkeiten der an Magnesium gebundenen Karbonathärte MgH ( Mg(HCO3)2 ) Grenzen gesetzt sind, bietet sich die Entkarbonisierung mit CaO oder Kalkwasser nur für Wässer an, deren Härte durch die Karbonathärte KH dominiert wird und die Karbonathärte vorzugsweise aus der Calziumhärte ( Ca(HCO3)2 ) CaH resultiert.

Lt. Narziss(Die Bierbrauerei, Ludwig Narziss und Werner Back, Band 2: Die Technologie der Würzebereitung, Kapitel 1.3.8) kann eine einstufige Enthärtung zur Anwendung kommen, so lange die Magnesiumhärte MgH 3°dH unterhalb der Nichtkarbonathärte NKH liegt. Übersteigt die Magnesiumhärte MgH diesen Wert, sollte die zweistufige Enthärtung(Split-Verfahren) zum Einsatz kommen. Aber auch dem Split-Verfahren sind Grenzen gesetzt und man kann davon ausgehen, dass maximal 50-60 % der Magnesiumhärte MgH im Rahmen dieser Enthärtungsvariante entfernt werden können und insgesamt bei einer Magnesiumhärte MgH, die einen Wert von 7° dH nicht übersteigt, von einem guten Enthärtungserfolg auszugehen ist. Liegen die Werte darüber, muss für den gewünschten Biertyp, der resultierenden Restalkalität RA in Kombination mit Aufhärtungsvarianten und im Einzelfall entschieden werden, wie vorzugehen ist.


Kontrollen und Tipps - Überkalkung:

Es ist natürlich wenig befriedigend, dass Sie die Ergebnisse der Enthärtungsmaßnahme nicht kennen und wenn Sie keine Analyse, zumindest für die Karbonathärte, durchführen können, müssen Sie entweder damit leben oder aber den hier gemachten Vorschlag als groben Unfug abtun ;-)

Noch schlimmer wäre allerdings, wenn der pH-Wert Ihres Brauwasser nach der Maßnahme einen Wert von ~ > 7,9 annimmt(Überkalkung). Dies hätte durchgängig negative Folgen für die Maische-, Würze- und Bierqualität. Es ist in jedem Fall anzuraten die pH-Werte(wie auch immer) im Brauwasser, der Maische, der Würze und im Bier zumindest in weiten Zyklen immer mal wieder zu bestimmen oder bestimmen zu lassen. Wenn Sie in der Lage sind den p- und den m-Wert zu bestimmen gilt für das Brauwasser nach der Enthärtungsmaßnahme: Der p-Wert sollte deutlich unter 0,5m liegen und der p-Wert darf keinesfalls größer als der halbe m-Wert sein.


Auch wenn die Wasserchemie für Sie einen eher abschreckenden Charakter hat, empfehle ich Ihnen trotzdem sich in diese Thematik etwas einzulesen oder in Internet-Foren gezielt Einzelthemen zu hinterfragen. Hier ein paar ausgesuchte Verweise, wo Sie die entsprechenden Informationen finden können:


Foren: hobbybrauer.de

Bücher: Die Bierbrauerei, Ludwig Narziss und Werner Back, Band 2: Die Technologie der Würzebereitung, Kapitel 1.3.8

Internet: MEBAK - 1.2.2 Enthärtungsversuch mit Kalkwasser

Internet: Wasseraufbereitung in der Getränkeindustrie - eine sehr gelungene Zusammenfassung - sehr empfehlenswert.  

Internet Wikipedia: Wasserhärte

Diese Hilfe: Die Chemie die dahinter steckt

Diese Hilfe: Tool "Rohwasserenthärtung(Entkarbonisierung) mit CaO (Calziumoxid)"


Aufhärtung:

Nach der hier beschriebenen Maßnahme kann es nötig werden das gewonnene Brauwasser im Nachgang aufzuhärten. Die dazu nötigen Berechnungen können Sie mit dem Aufhärtungsrechner durchführen.  




Die Chemie die dahinter steckt

Herstellung von Kalkwasser:

Durch die Reaktion mit Wasser wird aus Kalziumoxid CaO(gebrannter Kalk, ungelöschter Kalk) Kalziumhydroxid Ca(OH)2 (gelöschter Kalk, Kalkwasser) gebildet.

Die Löslichkeit von CaO in Wasser ist insgesamt gering und liegt bei 10 °C bei rund 1,38 und bei 30 °C bei rund 1,20 g/L

Achtung:

Der Lösungsvorgang findet unter großer Wärmeentwicklung statt. Kalziumhydroxid Ca(OH)2 ist zu dem eine starke Lauge. Aus Sicherheitsgründen verwenden Sie bitte im Umgang mit Kalziumhydroxid oder mit dem stark ätzenden Kalziumoxid immer eine Schutzbrille und Handschuhe !


CaO + H2O Ca(OH)2

Bindung der freien Kohlensäure(Kohlenstoffdioxid) und Ausfällung des unlöslichen(fällt aus) Kalziumkarbonats CaCO3 durch Zusatz  von Kalkwasser oder Kalkmilch.


CO2 + Ca(OH)2 CaCO3 + H2O

Überführung des unlöslichen Kalziumhydrogenkarbonats Ca(HCO3)2 in das unlösliche (fällt aus) Kalziumkarbonat CaCO3 durch Zusatz von Kalkwasser oder Kalkmilch.


Ca2+ + 2 HCO3- + Ca(OH)2 2 CaCO3 + 2 H2O

Überführung des löslichen Magnesiumhydrogenkarbonats Mg(HCO3)2 in das  ebenfalls lösliche Magnesiumkarbonat MgCO3 und in das unlösliche (fällt aus) Kalziumkarbonat CaCO3 durch Zusatz von Kalkwasser oder Kalkmilch.


Mg2+ + 2 HCO3- + Ca(OH)2 MgCO3 + CaCO3  + 2 H2O

Überführung des löslichen Magnesiumkarbonats MgCO3 in das unlösliche (fällt aus) Kalziumkarbonat CaCO3 und in das unlösliche (fällt aus) Magnesiumhydroxid Mg(OH)2 durch Zusatz von Kalkwasser oder Kalkmilch.


MgCO3 + Ca(OH)2 CaCO3  + Mg(OH)2

Hinweis:

Die Reaktion zum löslichen Magnesiumhydroxid Mg(OH)2 findet nur bei sehr hohen pH-Werten statt. Aus diesem Grund kommt das „Split-Treatment oder Splitverfahren“ (Zweistufige Enthärtung) zum Einsatz. Dabei wird die gesamte berechnete Kalkwassermenge mit 2/3 des Rohwassers versetzt und in der Folge dieser Teil des Rohwassers gezielt überkalkt und damit das lösliche Magnesiumhydrogenkarbonat Mg(HCO3)2 über das unlösliche  Magnesiumhydroxid Mg(OH)2 zur Ausscheidung gebracht. Im Anschluss wird der noch nicht behandelte Teil des Rohwassers(1/3) zugesetzt und damit der Kalküberschuss abgestumpft. Auf diese Weise wird die dem Kalzium Ca äquivalente Karbonathärte vollständig und die vom Magnesium Mg herrührende Karbonathärte zum größeren Teil entfernt.




Siehe auch:

Tool "Rohwasserenthärtung(Entkarbonisierung) mit CaO (Calziumoxid)"

Tool "Aufhärtungsrechner"



ow 04/2014

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